Geschätzte Leserinnen und Leser,
es ist mir stets ein Vergnügen, mich aus meiner ewigen Schuhmacherwerkstatt im Äther zu melden, um das Treiben der Gegenwart mit den Augen eines Mannes zu betrachten, der die Welt von einst noch mit hölzernen Leisten und Zwirn beherrschte. Heute widmen wir uns einem Phänomen, das die Gemüter spaltet wie die Axt das Brennholz: das sogenannte Gendern.
Ach, die Sprache! Sie ist doch das feine Handwerkszeug unseres Denkens. Und wie Besteck – pardon, die Gabel, der Löffel und das Messer – hat auch sie ihre Tücken und Eigenheiten. Ausländer und die Ausländerinnen verzweifeln ja schon an unserem Besteck, wo das Geschlecht so willkürlich verteilt wird wie die Preise auf dem Wochenmarkt.
Nun war es in der Tat so, dass unsereins, in seiner Bequemlichkeit und vielleicht auch aus einer gewissen patriarchalischen Trägheit heraus, gerne den Mann zum Maß aller Dinge machte. Man sprach von Bürgern und meinte im Grunde alle, ließ aber die Bürgerinnen gerne unter den Tisch fallen. Ein Fauxpas, der nicht nur unhöflich, sondern schlichtweg ungenau war und das halbe Land unsichtbar machte. Man kann die Gleichstellung nicht erwarten, wenn man die eine Hälfte der Bevölkerung sprachlich in die Warteschleife schickt.
Die Lösung, meine Lieben, lag eigentlich so nah wie der Faden in der Öse: Man hätte einfach nur die Möglichkeiten der deutschen Sprache richtig und vollständig nutzen müssen! Hätte man von Lehrerinnen und Lehrern, von Ärztinnen und Ärzten gesprochen, wäre die Sache juristisch, moralisch und sprachlich kaum anfechtbar gewesen. Man hätte fast 100% der Menschen abgeholt, und das ohne Verrenkungen oder neue Satzzeichen!
Aber nein! Der Mensch, so scheint es, liebt die Revolution, wo eine sorgfältige Reparatur gereicht hätte. Anstatt die bestehende Sprache korrekt zu gebrauchen, musste es ein kühner Aktionismus sein, der nun auch noch einen Stern in die Mitte von Wörtern pflanzt, als wäre die Sprache ein General, der sich mit Orden behängt. Ein Stern für die restlichen, die man weder mit der männlichen, noch mit der weiblichen Form abholt. Löblich, aber weinig zielführend.
Ich sage Ihnen, diese neuen Regeln werden nicht aus Überzeugung angenommen, sondern meist aus Zwang. Man möchte ja niemanden verärgern. Aber die Indoktrination neuer Schreib- und Sprechweisen erzeugt Widerstand, wo eigentlich Einsicht hätte herrschen sollen. Ich, der alte Pfefferkorn, bevorzuge weiterhin die elegante Lösung: die Nennung von zwei Geschlechtern. Sie ist klar, höflich und nutzt die vorhandenen Mittel unserer schönen, wenn auch komplizierten Sprache.
Ob diese sprachliche Akrobatik zur gewünschten Gleichstellung aller führt? Das steht in den Sternen – und neuerdings wohl auch in der Mitte der Wörter. Mir scheint, man sollte das eigene Handeln und Denken zuerst auf Gleichheit trimmen, bevor man die Sprache mit neuen Regeln überfrachtet. Der Schuster bleibt bei seinen Leisten, und ich bleibe bei der klaren Anrede meiner Leserinnen und Leser.
Nachschlag vom alten Schuster: Wenn wir schon beim Wühlen in den sprachlichen Untiefen sind: Haben Sie je darüber nachgedacht, dass der Junge einst vom jungen Herrn abstammte, während das Mädchen etymologisch auf eine ‚kleine Made‘, also etwas Unfertiges, zurückgeht? Sehen Sie, meine Damen und Herren, in der Sprache gibt es noch viel mehr zu kehren als nur das Gendern. Da gäbe es auch noch Handlungsbedarf, aber man fängt ja lieber mit der Axt und nicht mit dem Besen an.


