Liebe geschätzte Leserinnen und Leser,
nehmen Sie Platz, denn heute widmen wir uns einem Thema, das nicht nur die Zeitungen füllt, sondern auch manch einem von uns die Socken auszieht: der Künstlichen Intelligenz, kurz KI. In meiner Zeit als Schuhmachermeister zu Großsteinberg galten ein solides Paar Lederstiefel und vielleicht ein etwas zu neugieriger Geselle als aktuelle Technik. Nun, die Welt dreht sich weiter, und zwar in einem Tempo, das einem fast den Schwindel antut.
Die große Frage, die über unseren Köpfen schwebt, ist doch: Sind wir bald alle arbeitslos, oder haben wir endlich einen Roboter-Butler? Nun, wie so oft im Leben, liegt die Wahrheit wohl irgendwo zwischen dem selbstfahrenden Mähdrescher und dem Blechkameraden, der uns die Pfeife anzündet.
Was, bitte schön, ist nun diese Intelligenz, die da künstlich sein soll? Stellen Sie sich vor, man hätte den klügsten Köpfen die Fähigkeit zur Denkarbeit abgezwickt, in eine Art elektrische Wundermaschine gesteckt und dieser dann befohlen, unseren Alltag zu vereinfachen. Das ist, ganz ohne hochtrabende Fachbegriffe, die ganze Herrlichkeit. Man flüstert seinem Taschenfernsprecher einen Befehl zu, und anstatt eines höflichen „Wie bitte?“ bekommt man postwendend eine Wegbeschreibung – oft sogar die richtige. Das ist Fortschritt, meine Damen und Herren, so paradox er auch erscheinen mag.
Man darf nicht verkennen: Diese neue Technik hat uns schon manchen Dienst erwiesen. Denken Sie nur an die Empfehlungen Ihrer digitalen Filmothek, die Ihnen mit geradezu unheimlicher Präzision vorschlägt, welchen cineastischen Hochgenuss Sie als Nächstes konsumieren sollten. Manch einer fühlt sich besser verstanden von seinem Algorithmus als vom eigenen Ehegespons. Und das ist nun wirklich ein Zeichen der Zeit.
Doch wo Licht ist, ist bekanntlich auch Schatten. Die Befürchtung, dass der Mensch selbst überflüssig wird, weil die Maschine schneller rechnet, präziser arbeitet und obendrein keinen Urlaub braucht, ist nicht von der Hand zu weisen. Wobei ich mich frage: Wenn die Maschine uns die Arbeit abnimmt, was machen wir dann mit der gewonnenen Zeit? Werden wir endlich Muße haben, die Dinge zu tun, die uns wirklich am Herzen liegen? Oder werden wir nur noch mehr Zeit damit verbringen, uns vom nächsten intelligenten Gerät bespaßen zu lassen, bis wir kollektiv in eine Art digitales Dämmerschläfchen verfallen?
Die Satire liegt so nah: Wenn ich höre, dass selbstfahrende Autos die Straßen erobern, dann male ich mir in meiner Schusterstube aus, wie der Wagen eines Tages beschließt, die Route nach Las Vegas zu ändern, weil es ihm in Großsteinberg zu langweilig geworden ist – und dem armen Fahrer nur noch gnädig erlaubt, auf dem Rücksitz Platz zu nehmen.
Meine Damen und Herren, die künstliche Intelligenz ist ein Werkzeug. Ein ungeheuer scharfes und vielseitiges Werkzeug, gewiss, aber eben nur ein Werkzeug. Es ist unsere Aufgabe, die Schnitzerei so zu führen, dass am Ende keine Karikatur, sondern ein brauchbares Stück dabei herauskommt. Bewahren wir uns den Humor und die menschliche Unvollkommenheit – denn genau diese ist es doch, die uns von jeder noch so klugen Maschine unterscheidet. Und solange der digitale Helfer beim Servieren der Suppe noch daneben schüttet, ist zumindest die menschliche Würde noch nicht ganz verloren.
Mit nachdenklichen Grüßen aus der virtuellen Schusterstube,
Ihr Karl Pfefferkorn


